Pinguinwetter - Roman by Britta Sabbag

Pinguinwetter - Roman by Britta Sabbag

Autor:Britta Sabbag
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Verlagsgruppe Luebbe GmbH Co KG
veröffentlicht: 2011-10-20T04:00:00+00:00


14. Kapitel

Ein paar Tage weg von allem würden sicher helfen. Tante Marlene hatte recht: Melitta würde sich sicher über meinen Besuch freuen, und ein bisschen Gartenarbeit würde mir guttun.

Früher hatte ich mir immer einen Spaß daraus gemacht, sämtliche Bahnangestellte anzurufen und mir die günstigste Verbindung ausrechnen zu lassen. Bei drei Anrufen im Schnitt wurden dann jeweils drei verschiedene Preise genannt, von denen ich immer den günstigsten aussuchte, um anschließend ein viertes Mal anzurufen und das Ticket zu buchen.

Ich suchte mir den Nachmittagszug direkt für heute aus, packte meine Gummistiefel ein und hinterließ Trine eine kurze Nachricht auf ihrem Anrufbeantworter.

Vielleicht bringt mich die Fahrt auf andere Gedanken, und vielleicht ist sogar das Ende der Welt ein guter Ort, um den Kopf frei zu bekommen für die eine zündende Idee, dachte ich.

*

Ich hatte noch zehn Minuten Zeit bis zur Abfahrt und sah mich um.

Ob der Schaffner hier irgendwo rumstand? Wie es wohl mit Mona und ihm lief? Ich war gar nicht mehr auf dem neuesten Stand. Ob Mona mit ihm über das, was ich ihr gesagt hatte, gesprochen hatte? Oder ob die ahnungslose, weil in Liebesdingen verdrängungstechnisch stark aktive Mona bereits bei Familienplanung, Eigenheim und sämtlichen Freds angekommen war, ohne wahrhaben zu wollen, welches Spiel der Schaffner in Wirklichkeit mit ihr spielte?

Zwei Minuten vor der planmäßigen Zugankunft kam die obligatorische Durchsage, dass der Zug sich fünfzehn Minuten verspäte.

Mona, die mich sicherlich zum Bahnhof begleitet hätte, würde sich jetzt normalerweise zusammen mit mir aufregen. Ich vermisste meine Freundin – so eine lange Funkstille hatte noch nie zwischen uns geherrscht. Überhaupt war das der erste richtige Streit zwischen uns.

Da ich es nicht eilig hatte, störte es mich nicht weiter, dass der Zug später kommen würde. Ich hoffte nur auf einen guten Platz, denn ich hatte extra für die einstündige Fahrt reserviert.

Als der Zug schließlich eintrudelte, war der Bahnsteig völlig überfüllt, und die Menschen schubsten sich vor den aufgehenden Bahntüren gegenseitig hin und her. Das bezeichnete Mona immer als »Bahnhofskrieg«.

Ich war zwar keiner dieser Herumschubser, aber vordrängeln konnte ich gar nicht leiden, und so rutschte mir auch diesmal ein leicht genervtes »Das sieht nicht nur aus wie ’ne Schlange, das ist auch eine!« raus, als sich mal wieder einer der üblichen Verdächtigen – ein sehr professionell wirkender Berufspendler – vordrängeln wollte.

Hoffentlich hatte ich heute einen Sitznachbarn mit Laptop, dachte ich, die waren immer besonders still und konzentriert.

Leider hatte ich, was das anging, kein Glück, wie ich bereits feststellte, als ich auf Sitz 62 zusteuerte.

Schon bei der Nummer 12 hörte ich lautes Geschrei und ein gedämpftes »Justin-Marvin, setz dich jetzt verdammt noch mal hin! Ich sage es jetzt zum allerletzten Mal!«.

Bitte nicht, bitte, bitte nicht neben mir, betete ich, als ich an meinem reservierten Sitz ankam und Justin-Marvin mich frech angrinste.

Selbst wenn ich nur einmal im Jahr mit der Bahn fuhr, schaffte ich es immer wieder, neben dem einzigen Justin-Marvin im ganzen Zug zu sitzen. Das war so ziemlich das Schlimmste, das mir passieren konnte. Mein persönlicher Albtraum. Die heutige Version war circa sechs Jahre alt und mit Sicherheit Einzelkind.



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